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Glaubt die Antithese nicht an Verschwörungstherien?

17. September 2024 · 5 Minuten Lesezeit

Glaubt die Antithese nicht an Verschwörungs­­theorien?

Verschwörungstheorien sind ein zentrales Thema unserer Plattform. Nicht selten üben wir scharfe Kritik an den modernen Mythen. Dabei sind wir längst nicht so gutgläubige »Schlafschafe«, wie manche denken mögen. Was genau wir von Verschwörungstheorien und ihren Jüngern halten, verraten wir euch in diesem Beitrag.

Von Glühbirnen und Geheimbünden

Fangen wir von Vorne an: Was ist eigentlich eine Verschwörung? Wikipedia definiert sie als eine »geheime Zusammenarbeit mehrerer Personen zum Nachteil Dritter«. Klingt dramatisch? Ist aber bittere Realität. Verschwörungen existieren und haben reale Konsequenzen.

Genau deshalb werden Verschwörungen auch immer wieder aufgedeckt. So zum Beispiel die des Glühbirnen-Kartells der 1920er Jahre: Große Glühlampenhersteller sprachen sich heimlich ab, um die Lebensdauer ihrer Produkte künstlich zu verkürzen. Das Ziel: Verbraucher sollten ständig Nachschub kaufen müssen – planned obsolescence at its finest.

Doch bei Verschwörungstheorien steht weit mehr auf dem Spiel als kurzlebige Glühbirnen – vielmehr handeln sie von Schattenregierungen, Geheimbünden oder False-Flag-Operationen. Das klingt nach Hollywood, ist aber dokumentierte Realität. Bestes Beispiel: »Operation Northwoods«. 1962 präsentierte der US-Generalstab dem damaligen Präsidenten John F. Kennedy einen Geheimplan von beispielloser Skrupellosigkeit. Der Plan sah unter anderem inszenierte Terroranschläge durch das Versenken kubanischer Flüchtlingsboote, fingierte kommunistische Anschläge in amerikanischen Städten sowie den Abschuss einer unbemannten Zivilmaschine durch ein kubanisches Flugzeug vor – alles, um einen Krieg gegen Kuba zu rechtfertigen. Die Parallelen zu 9/11, um das sich bis heute noch zahlreiche Verschwörungstheorien ranken, liegen auf der Hand.

Das Beispiel macht klar: Verschwörungstheorien pauschal zu verurteilen wäre naiv. Die Geschichte zeigt, dass Verschwörungen im großen Stil durchaus möglich sind, auch wenn Kennedy die Northwoods-Pläne letztendlich ablehnte. Trotz allem üben wir oft scharfe Kritik an Verschwörungstheorien. Denn nur weil wir Verschwörungen ernst nehmen, sind wir noch lange keine »Verschwörungstheoretiker«. Im Gegenteil – wir haben ein massives Problem mit modernen Verschwörungstheorien. Aber warum?

Unser Hut ist nicht aus Alu

Fakten vs. Narrativ

Der Ansatz der Antithese beruht auf sorgfältigen Recherchen, belegbaren Fakten und dem ehrlichen Versuch der Objektivität. Wir sind stolz darauf, stets alle Seiten zu beleuchten und unsere eigenen Spekulationen deutlich als solche zu kennzeichnen. Unser Ziel: Fakten führen das Narrativ. Natürlich gelingt uns das nicht immer perfekt – wir behaupten aber auch nicht, der Gral der Wahrheit zu sein.

Verschwörungstheorien hingegen drehen dieses Verhältnis komplett um. Es mangelt zwar nicht an »Fakten« – diese werden jedoch kaum hinterfragt und nur dann angenommen, wenn sie ins gewünschte Bild passen. Denn statt sorgfältiger Recherche dominiert meist die gezielte Bestätigung – Objektivität weicht dem Bauchgefühl, Spekulationen werden zu Wahrheiten erklärt. Widersprüchliche Belege werden bewusst ignoriert oder einfach als gezielte Desinformation abgetan. Kurz gesagt: Fakten müssen sich fügen, das Narrativ steht über allem.

Befeuert wird dieses Narrativ durch ein Bombardement an Fake News aus Social-Media-Plattformen oder alternativen Medien. Aus Erfahrung wissen wir: Dagegen anzukämpfen ist wie der Kampf gegen die Hydra – widerlegt man eine Behauptung, sprießen schon wieder zwei neue aus dem Boden. Bewaffnet ist die Hydra mit Aussagen »alternativer« Wissenschaftler, aus dem Kontext gerissenen Fakten und Falschmeldungen.

Eigentlich sollte man denken, dass so ein Kartenhaus aus Halbwahrheiten und Fake News schnell in sich zusammenfällt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der hohe Stellenwert des Narrativs und die Bereitschaft, jegliche »alternative Fakten« zu akzeptieren, machen das System paradoxerweise sehr robust. Jeder Einwand wird zum Indiz für eine Verschwörung, jede Widerlegung zur Bestätigung der eigenen These. So entsteht ein selbstreferenzielles Wahrheitssystem, das mit der Realität längst gebrochen hat.

Die halbe Welt verschwört sich gegen dich

In einem Gespräch mit einem Flat-Earther legt YouTuber LAHWF den Finger in eine weitere Wunde moderner Verschwörungstheorien:

„Wenn du behauptest, dass die Erde flach ist, sagst du nicht nur, dass die NASA lügt. Du sagst nicht nur, dass es eine Verschwörung innerhalb eines einzigen Unternehmens gibt. Sondern du unterstellst, dass es eine Verschwörung gibt, an der alle 71 Raumfahrtbehörden der Welt beteiligt sind. […] Du sagst nicht nur, dass alle 71 Organisationen über die Form der Erde lügen, sondern auch, dass jede einzelne Person in ihnen lügt oder von ihren jeweiligen Unternehmen getäuscht wird. Außerdem ist, wie du andeutest, jeder einzelne Astrophysiker auf der Welt ein Betrüger, der dafür bezahlt wird, mit Teleskopen und Instrumenten zu forschen, die nutzlos wären, wenn die Erde flach wäre. Also lügen ungefähr 75.000 Menschen über das, was sie beruflich tun. […] Es scheint, dass zu viele verschiedene Leute in diese Verschwörung verwickelt sind.”

Das Zitat verdeutlicht die fundamentale Schwäche vieler Verschwörungstheorien: Sie setzen eine schier unvorstellbare Zahl von Mitwissern voraus. Das beste Beispiel liefert die Corona-Pandemie – die größte Fundgrube für neue Verschwörungstheorien der letzten Jahre. Die »Plandemie« würde eine globale Verschwörung bedeuten, die nahezu alle medizinischen Fachkräfte, das gesamte Krankenhauspersonal, Wissenschaftler, Regierungen und Beamte, Medien und zahlreiche weitere Berufsgruppen weltweit mit einbeziehen müsste.

Wie wahrscheinlich ist es, dass eine derart umfassende Verschwörung funktioniert? Dass jeder Wissenschaftler und jeder Politiker willentlich mitmacht? Dass sich alle Regierungen der Welt plötzlich einig sind – obwohl sie sonst gegeneinander Kriege führen? Dass jede medizinische Fachkraft korrumpiert ist und dem gesamten Krankenhauspersonal nicht zu trauen ist? Die schiere Größenordnung solcher angeblichen Verschwörungen macht sie unglaubwürdig. Je mehr Menschen involviert sein müssten, desto unwahrscheinlicher ist eine Verschwörung.

Gates, Soros und die WTO

In modernen Verschwörungstheorien spielt fast immer dieselbe Besetzung die Hauptrolle: eine kleine, mächtige Elite, die im Verborgenen alle Fäden zieht. Diese Schattenherrscher verfolgen dabei das große Ziel einer »New World Order« – einer Weltordnung, in der sie die komplette Kontrolle übernehmen. Jedes Ereignis auf der Weltbühne wird dabei als sorgfältig orchestrierter Schachzug auf dem Weg zur totalen Machtübernahme gedeutet. Pandemien, Wirtschaftskrisen, Kriege – alles nur Bausteine eines Masterplans.

Doch die Realität sieht anders aus. Es gibt schlicht keine Hinweise für eine derart koordinierte Weltverschwörung. Im Gegenteil: Es existieren zahlreiche politische Strömungen und finanzkräftige Think Tanks mit erheblichem Einfluss, die völlig gegensätzliche Ideologien und Ziele verfolgen. Die reale Welt ist ein Schlachtfeld konkurrierender Interessen – nicht das Spielfeld einer einzigen Elite.

Außerdem lassen sich die Auswirkungen von Weltgeschehnissen nicht vorhersagen. Bestes Beispiel Social-Media: Es hat den Informationsfluss maßgebend revolutioniert und die Meinungsbildung radikal dezentralisiert. Plötzlich kann der »kleine Mann« von seinem Wohnzimmer aus enormen Einfluss ausüben – Bewegungen entstehen und verschwinden über Nacht, Meinungen kippen binnen Stunden. Das sieht für uns nicht nach dem Werk einer allmächtigen Elite aus. Diese hätte sicher den kontrollierbaren, gefilterten Informationsfluss der 70er Jahre vorgezogen, als noch drei Fernsehsender die öffentliche Meinung prägten.

Die modernen Jünger

In persönlichen Gesprächen und Social-Media-Diskussionen erleben wir oft, wie sehr sich Anhänger von Verschwörungstheorien als kritische Denker verstehen, die der Manipulation des Mainstreams entflohen sind. Dieses Selbstverständnis können wir zum Teil gut nachvollziehen – eine gesunde Skepsis befürworten wir. Aber wir beobachten auch eine paradoxe Situation: Während der Mainstream kategorisch abgelehnt wird, werden Behauptungen von alternativen Medien oft unhinterfragt übernommen. Kritisches Denken? Fehlanzeige. Es wurde lediglich der eine Informationskanal durch einen anderen ersetzt. Echte Kritikfähigkeit aber bedeutet, jede Information zu prüfen, egal woher sie stammt – auch wenn dabei die eigenen Überzeugungen auf den Prüfstand müssen.

Das finden wir schade, da hier eine Chance vertan wird. Unterschiedliche Weltbilder sind für uns kein Problem, im Gegenteil – sie können ungemein bereichernd sein. Menschen, die bereit sind, etablierte Narrative zu hinterfragen, bringen oft wertvolle Perspektiven mit. Entscheidend ist jedoch die Bereitschaft, offen und ehrlich zu diskutieren, die eigenen Ansichten zu reflektieren und vor allem: Fakten wertzuschätzen, sorgfältig abzuwägen und gründlich zu recherchieren. Genau diese Herangehensweise vermissen wir jedoch bei vielen Verschwörungstheoretikern.

Eine traurige Wahrheit

Wir verstehen, warum immer mehr Menschen dem Sog von Verschwörungstheorien erliegen. Die Welt ist in den letzten Jahren ziemlich aus den Fugen geraten. Pandemie, Kriege, Inflation, Klimawandel, korrupte Politiker… Das alles verstärkt das taube Gefühl der Ohnmacht, das immer mehr Menschen heimsucht. In diesem Chaos bieten Verschwörungstheorien das, nach was sich viele sehnen: eine Erklärung für das scheinbar Unerklärliche. Einen Schuldigen für das ganze Durcheinander. Eine einfache Antwort auf komplexe Fragen.

Aber wir sehen auch, welchen Schaden dieser Sog anrichtet. Wie Familien zerbrechen, Freundschaften kaputtgehen und gesellschaftlicher Zusammenhalt zerfällt. Wie aus berechtigter Skepsis blinder Hass wird. Und aus Hass Gewalt. Deshalb nehmen wir den Kampf auf – nicht aus Selbstgerechtigkeit, sondern aus Überzeugung. Wir wollen die Hydra nicht erschlagen, sondern systematisch aushungern: durch unerbittliche Faktenarbeit, schonungslose Transparenz und akribische Recherche.

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